Guten Morgen, Göttliche!
Unser neues Theaterstück Collisions schreitet immer mehr fort. Das Thema explodiert uns förmlich vor den Augen, und die quantenmechanischen Wahrscheinlichkeitsreaktionen auf die erprobten Zusammenstösse lassen unsere Spannung bis zur Uraufführung am 14. März exponentiell ansteigen. Langer Rede, kurzer Sinn: Macht Spass. Ist aber, wie wir seit Karl Valentin wissen, viel Arbeit.
Danke für die Zuschriften, die Kommentare zu den Themen der letzten Briefe. Eine Bemerkung, ein Zweifel, eine Frage taucht, in den verschiedensten Schattierungen, immer wieder auf – vielleicht wäre es interessant, diese Diskussion in grösserem Stil anzureissen?
Woher weisst Du, dass es keinen Gott gibt?
Wunderbar, vielleicht ist es das Thema, auf das ich mich schon lange freue, aber nicht wagte, es wegen seiner Komplexität im Rahmen eines Newsletters aufzunehmen. Vielleicht ist gerade dies, we weiss, das richtige Medium. Ab April schauen wir uns das näher und strukturierter an, heute nur zwei kurze Gedanken dazu:
Gott als Konzept ist ja, wie wir heute wissen, ausgemachter Unsinn. Er wird nirgendwo (mehr) angetroffen, nicht in der Natur (Biologie), nicht in den anderen Wissenschaften: Chemie, Mathematik, Physik, auch hier weder in Astro- noch in Teilchenphysik. Es gibt da nicht einmal Anhaltspunkte für so etwas wie Gott (was immer das sein sollte). Dabei gehen das Wissen, die Entdeckungen des Menschen heute schon sehr weit: Am CERN in Genf werden Bosonen beobachtet, man weiss, dass 10 hoch -43 Sekunden nach dem Big Bang das Ende der Inflationsphase war, dass zu jenem Zeitpunkt die Grundkräfte sich trennen und erste Teilchen entstehen. 10 hoch -43 Sekunden nach dem Big Bang? Das kann man auch so schreiben: 0,000000000000000000000000000000000000000001 Sekunden1 nach dem Moment der Entstehung unseres Universums.
Hysterische Analphabeten
Trotz der enormen Fortschritte in der Forschung gibt es natürlich viele Punkte, die wir (der Mensch) bislang nicht wissen bzw. verstehen können. Aber das heisst nicht, dass dort Gott wohnt, er darf ja nicht einfach ein Begriff sein, der als Lückenfüller für unsere Ignoranz herhält. Was wir nicht wissen, müssen wir versuchen zu entdecken, zu erforschen.
Wo siehst Du, geneigter Leser, der vielleicht nicht mit meinen Gedanken einverstanden ist, auch nur kleine Anhaltspunkte für die Existenz eines Gottes? In Schriften aus der Bronzezeit? In mündlich überlieferten Zeugenaussagen von hysterischen Analphabeten und -innen aus Zeiten, in denen die Menschen nicht wussten, wohin abends die Sonne verschwand hinter der Scheibe, die ihre Welt war? Die Bibel und die zugehörigen Schriften gehören in die Abteilung Fiktion. In welche sonst? Spiritualität? Spiritualität heisst doch nicht, an die Ausserkraftsetzung der Naturgesetze durch eine göttliche Macht, wie immer die aussehen soll, glauben zu sollen.
Beweisschuld
Es gibt noch ein wichtiges Argument, das mich zum militanten Atheisten hat reifen lassen, es steckt auch in der Frage von Christine: Woher weisst Du, dass es keinen Gott gibt? Hier besteht ein grosses Missverständnis. Die Beweisschuld für eine Behauptung liegt bei dem, der die Behauptung aufstellt. Ich könnte mit demselben Recht fragen: Woher weisst Du, dass ich kein sprechendes Einhorn in meiner Garage habe? Sowohl bei meinem Einhorn, als auch bei dem, was landläufig Gott genannt wird, liegt die Beweisschuld nicht bei dem, der sich dagegen verteidigt, sondern bei dem, der behauptet. Geht man davon aus, ist die so gestellte Frage unzulässig.
Die richtige Frage wäre, in die andere Richtung: Woher weisst Du, dass es einen Gott gibt? Da wirst Du, geneigter Leser, auch bei intensiver Suche keinen stichhaltigen Grund geben können - ausser, falls dem so ist, dem, dass Du es eben glauben möchtest. Was kein Beweis für die Existenz eines Gottes ist, sondern ein Zeichen dafür, dass Du die Notwendigkeit hast, eine wie immer geartete ausserreale Macht in Dein Leben und in Deine Umwelt zu projizieren. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Ich muss in die Proben! Die kommenden Briefe bis Ende März werden etwas knapper, die Zeit läuft, wie immer, gegen uns.
Alles Gute, bleib gesund und munter, ich freu mich, wenn Du mir schreibst!
Markus
Bennu kommt wohl nicht zu uns2. Aber die Sonde OSIRIS REx hat, nachdem sie den Kübel mit den Steinen von Bennu auf die Erde abgeworfen hatte, ihren Namen in OSIRIS APEX geändert und sich auf den Weg zu Apophis gemacht. Apophis wird der Erde am 13. April 2029 bis auf 31.000 Kilometer nahe kommen3, aber in diesem Jahrhundert wohl nicht mehr auf die Erde krachen.
Ein Haar wächst in einer Sekunde ca. 0,00000001 Meter.
Die Entfernung Bennus zur Erde variiert stark, da er eine elliptische Umlaufbahn hat, die die Erdbahn kreuzt. Er kann der Erde bis auf etwa 480.000 Kilometer nahekommen.
Das ist näher als die Umlaufbahn vieler geostationärer Satelliten, die sich in etwa 36.000 Kilometern Höhe befinden.
I see it like this:
The truth conditions (repeatability, falsifiability etc.) for scientific statements all involve an ability to reliably predict and manipulate what might be called "states of the world".
Scientific truth is inescapably pragmatic - the power to predict and the power to instrumentalize.
As such it is enormously useful, but not more than this. At any one moment it is the set of currently most practically efficient cognitive nets that we have available to project upon the world. It helps us to survive and flourish and its interpersonal character is a vitally important glue for society.
But...
It has no metaphysical or ontological implications.
In particular, it cannot deny the legitimacy of alternative cognitive nets for other (less instrumental) aspects of our existence. To talk of gods, souls, beauty, goodness, qualia, etc. is to invoke a different cognitive enterprise that aims at a completely different understanding of human experience. Science is ultimately about control. Art, religion, morality, spirituality, mythology, superstition etc. are about something more like a personal awakening to more fundamental, non-instrumental regions of experience. They do not conflict with (and cannot be disproved by) science because they they are engaged in a wholly different pursuit.
Oh wie spannend! Mit meiner unschuldigen Frage wollte ich keineswegs einen Gottesbeweis heraufordern- weiss ich doch, dass die Existenz dessen, was wir Gott nennen, nicht bewiesen werden kann. Ebenso wie die Nichtexistenz nicht bewiesen werden kann. Das alles befindet sich jenseits dessen, was wir wissen können, ist also Glaube. Auch dass Menschen womöglich einen Gott brauchen, beweist nicht dessen Existenz. Berge, Seen, Wälder sind auch nicht da, weil ich sie brauche.