Guten Morgen, Sternenfahrer!
Ich hoffe, es geht Dir gut! Der erste Monat ist vorbei, wir sollten alle bereits mit festen Füssen im neuen Jahr stehen! Es ist Montag. Gerne erzähle ich Dir kurz von unserer Arbeit am neuen Theaterstück COLLISIONS, streife die lähmenden Faschisten an der Macht mit kurzem Blick und flieg dann zum Trost mit Dir zu Bennu. Anschnallen bitte!
Collisions: Proben
Wir haben hier mit den Proben für unser neues Stück COLLISIONS begonnen. Besonders interessant ist für uns im Moment die unterschiedliche Betrachtung von Kollisionen aus der klassischen und der quantenmechanischen Sicht. Klassisch wird ein Zusammenstoss zweier oder mehrerer Körper zum Beispiel durch messbare Position und Geschwindigkeit definiert, während er in der Quantenmechanik als Wechselwirkung zwischen Teilchen angesehen wird, die durch Wahrscheinlichkeitswellen beschrieben werden.
Bei einer Kollision, sehr interessant für eine Analyse menschlicher Zusammenstösse, gibt es immer eine Impulsübertragung. Diese wird in der klassischen Physik als direkter Kontakt und Kraftübertragung zwischen den Körpern gesehen, während bei Quanten ein Austausch virtueller Teilchen, Bosonen, als Wechselwirkungsträger geschieht. Wo in einem menschlichen Clash die Bosonen fliessen, versuchen wir gerade zu erproben.
Soziale Medien
Die Spuren, die die Machtergreifung der Oligarchen in den USA ziehen, beschäftigen mich ständig. Es ist schwierig, dem zu entkommen. Viele Menschen wenden sich von den altbekannten sogenannten sozialen Netzwerken ab, vor allem X/Twitter, aber auch Instagram und Facebook sind für viele, auch für uns, untragbar geworden. Ich habe Facebook und Instagram nie persönlich benutzt. Es war für unsere Compagnie aber immer eine Art Fenster, durch das wir mit Freunden, Bekannten und Publikum aus aller Welt in Verbindung geblieben sind. Wir haben das jetzt stillgelegt. Noch nicht gelöscht, all’ das braucht Konzentration und Zeit, die wir jetzt nicht haben. Für die kommenden zwei Monate müssen wir uns auf die Proben, auf die Newsletter, auf die neuen Kurse konzentrieren, die Anfang April herauskommen sollen.
Der Wunsch, sich zu verbinden, bleibt bei vielen trotz dieser Misere erhalten. Auch für uns ist es wichtig, mit (potenziellem) Publikum, mit (potenziellen) Kursteilnehmern, mit Lesern und Kollegen in Kontakt zu bleiben oder zu treten. Eine interessante Alternative hat sich aufgetan, die ein guter Kompromiss zu sein scheint: Bluesky, ein Twitter-Abkömmling mit starker Anziehungskraft auch für kulturell interessierte Menschen. Ethisch vertretbar, da von einer gemeinnützigen Stiftung getragen, also nicht gewinnorientiert. Die Stiftung wird Geld einnehmen müssen, aber Gewinn ist nicht das Geschäftsziel. Es gibt auch keine für den Benutzer unkontrollierbaren Algorithmen, man kann sehr gut für sich selbst organisieren, welche Inhalte man sehen und lesen möchte, man kann Listen erstellen und so weiter. Wir haben vor einiger Zeit einen Account eröffnet und werden ihn nach und nach beleben. Wenn Du möchtest, folge uns dort einfach1! Sehen wir, wie sich das entwickelt, und ob wir dort über die kommenden Monate zusammen ein Habitat entwickeln können, das interessant, freundlich und vor sauberem, positivem Hintergrund wächst.
Von Männern beherrscht und kontrolliert
Es ist schwer, bei all’ der Unbill und den weltweiten Bedrohungen durch ultrarechte Kräfte nicht einfach zu erstarren. Oder verrückt zu werden. Elon, der ungebändigte Lustknabe des Vergewaltigers im Weissen Haus, grüsst, man traut seinen Augen nicht, vor den Augen der Welt Adolf Hitler. Ein paar Tage später feiern wir die Befreiung von Auschwitz. Das ist gerade 80 Jahre her.
Religiöse Extremisten sind ja, solange sie in Klöstern leben und Keuschheitsgelübde ablegen, an sich kein grösseres Problem. Dass jetzt aber mit dem neuen Verteidigungsminister der weltweit stärksten Armee ein christlicher Fanatiker vereidigt wurde, der gerne zu viel trinkt und Frauen verprügelt, illustriert in groben Strichen, welche Zukunft der Welt bevorsteht.
Wie viele, hatte auch ich mir die letzten Jahre vorgemacht, so etwas wie Feminismus würde immer weiterwachsen. Würde sich wohlmeinend auf alle von Menschen besiedelten Landstriche der Erde legen, um schliesslich, in nicht allzu ferner Zukunft, die Welt, vor allem aber die Menschen zu erretten. Aus irgendwelchen Gründen hatten wir die Illusion, eine Gleichstellung der Geschlechter sei in Sicht, wenn nicht gar kurz vor ihrer Vollendung. Wie schnell dieses Ruder herumgeworfen werden kann! Wer hätte das für möglich gehalten? Klar, in Wirklichkeit gedieh Feminismus bis heute nur auf kleinen Inseln, die wir für die grosse Welt hielten. Dass aber die internationale politische Kultur, wie Carole Cadvalladr in ihrem exzellenten Artikel Sieg heil Tesla feststellt, ausschliesslich aus Männern (besteht), die mit anderen Männern vor einem Publikum aus Männern auf Plattformen sprechen, die Männern gehören und durch Algorithmen angetrieben werden, welche Männer entwickelt haben – über ein politisches System, das von Männern beherrscht und kontrolliert wird, ist nur ein weiteres Anzeichen der totalen Katastrophe, die da auf uns zuzukommen scheint.
Apropos Katastrophe: Laut Europas oberster Diplomatin Kaja Kallas2 haben verschiedene Geheimdienste herausgefunden, dass Russland „in drei bis fünf Jahren“, wie sie sagt, plant, Europa anzugreifen. Mit ihrem Verteidigungskrieg kaufe die Ukraine Europa Zeit, so Kallas. Zeit hat allerdings die ungute Eigenschaft, zu vergehen. Es lohnt sich wohl, wenigstens ein paar Flaschen Trinkwasser zu Hause zu haben und etwas Reis, wenn es dann bald so weit ist.
Der Trost
Das ist ein trauriger Newsletter geworden, das wollte ich nicht. Also zum Schluss noch einen Trost: Wir sind nicht allein im Universum, das wird immer klarer. Erst vergangene Woche haben Wissenschaftler um Daniel P. Clavin in Nature Astronomy einen Artikel veröffentlicht, in dem sie darlegen, dass auf dem Asteroiden Bennu organische Materie im Überfluss vorhanden ist. Die Forscher haben durch die Analyse von Gesteins- und Staubproben des Asteroiden Einblicke in die frühe Chemie unseres Sonnensystems und zum Ursprung lebenswichtiger Moleküle bekommen.
Ich erzähl Dir noch kurz, wie diese Gesteinsproben vom Asteroiden auf die Erde und in die Hände der Forscher gekommen sind. Das gibt mir, hoffentlich auch Dir, etwas Vertrauen in die Menschheit und ihre (potenzielle) Grösse zurück.
OSIRIS-Rex
Also: Im September 2016 startet eine Rakete der NASA auf ihrer Mission OSIRIS-REx in Richtung des Asteroiden Bennu, der in jenem Moment 136 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist. Licht benötigt für diese Distanz schlappe 7,5 Minuten3, die Sonde gute zwei Jahre: im Dezember 2018 kommt OSIRIS-REx bei Bennu an4. Während zwei weiterer Jahre kartografiert sie den Asteroiden aus sicherer Entfernung und erlaubt so die präzise Auswahl eines Landeplatzes, wobei der finale Punkt, Nightingale getauft, erst nach monatelangen Vergleichen der Möglichkeiten ausgewählt wird. Dann wird Nightingale, gross wie ein Parkplatz, angesteuert. Ein Präzisionsmanöver, bei dem die ungewöhnliche Orbitalmechanik von Bennu einbezogen werden muss.5 Tatsächlich gelingt es, die gut zwei Tonnen schwere Sonde zu landen.
Zu diesem Zeitpunkt ist Bennu 334.000.000 km von der Erde entfernt, das Licht6 und damit - viel entscheidender – die Radiowellen zur Informations- und Befehlsübertragung, brauchen 18,5 Minuten7 (einfach). Wie dem auch sei: das alles ist gelungen. Im Mai 2021 verlässt die Sonde die Umlaufbahn von Bennu und wirft zweieinhalb Jahre später im September 2023 die Probenkapsel in der Erdatmosphäre ab, die wenig später mit Fallschirmen in der Wüste von Utah landet. Die Hauptsonde selbst fliegt an der Erde vorbei und ist nun auf dem Weg zu dem Asteroiden Apophis.8 Dieses Material also konnten dann zahlreiche Forscher analysieren. Das wichtigste Ergebnis ihrer Untersuchungen war der Nachweis der organischen Ausgangsstoffe aller fünf in DNA und RNA vorkommenden Nukleinbasen. Die Urbausteine des Lebens, wie wir es kennen, existieren also im Universum auch ausserhalb unserer Erde.
Um den Schritt der chemischen Zutaten zur lebendigen Zelle bzw. Organismen zu machen, benötigt es daher nur noch die geeigneten Bedingungen. Es gibt keinen Grund, warum diese sich nicht auch woanders als bei uns zu Hause eingestellt haben sollten. Man kann nur hoffen, dass die dortigen Zellen klüger geworden sind oder werden als der Mensch, der nicht einmal aus der Hölle eines Holocausts etwas lernen kann und nichts besseres zu tun hat, als offenen Auges geradeaus auf den Abgrund zuzurennen.
Früher oder später werden sie kommen und uns für immer in ihre unzähligen Tentakelarme schliessen. Es werden die Weibchen sein. Ihre Männchen werden sich längst in dröhnenden Orgien der Dummheit gegenseitig aufgefressen haben.
Komm rüber zu Bluesky, treffen wir uns im Theater, in Kursen, auf Reisen! Bleib in Kontakt!
Gut, dass Du da bist.
Übrigens – es gibt keinen Gott. Aber es gibt Menschen, die sind imstande, einen fliegenden Lieferwagen zu bauen und ihn auf dem Parkplatz eines Asteroiden zu landen, der aus den äusseren Regionen unseres Sonnensystems stammt. Und nicht nur das: Sie können ihn von dort auch wieder starten lassen, um ihn den Einkauf nach Hause bringen zu lassen. Ohne etwas davon zu verschütten.
Kaja Kallas, die ehemalige Premierministerin Estlands, ist seit Dezember 2024 die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Aussen- und Sicherheitspolitik. In dieser Rolle leitet sie die europäische Außenpolitik und ist zugleich Vizepräsidentin der Europäischen Kommission. Ihre Amtszeit beträgt fünf Jahre.
136.000.000 km ÷ 300.000 km/s = 453,33 Sekunden
Allerdings war dies keine direkte Reise – die Sonde benötigte zwei Jahre bis zur Ankunft bei Bennu, da sie eine komplexe Flugbahn nutzte, die auch einen Vorbeiflug an der Erde für ein Schwungbahnmanöver (Gravity Assist) einschloss. Diese indirekte Route war notwendig, um Treibstoff zu sparen und die richtige Annäherungsgeschwindigkeit an den Asteroiden zu erreichen. Die Entfernung Bennus zur Erde variiert übrigens stark, da er eine elliptische Umlaufbahn hat, die die Erdbahn kreuzt. Er kann der Erde bis auf etwa 480.000 Kilometer nahekommen.
Die Sonde musste sich erst in eine stabile Umlaufbahn um den kleinen Asteroiden einpendeln, was wegen Bennus schwacher Gravitation eine grosse Herausforderung war.
Vielleicht kommt Bennu ja auch zu uns? Woher weißt du, dass es keinen Gott gibt? Im Übrigen teile ich dein Entsetzen.